Impressionen der Modell-Wagen

Die Wahl der Wagen

Die RH&DR verfügt über einen großen Wagenpark von aktuell 63 Personenwagen für den täglichen Betrieb und einigen historischen Fahrzeugen, welche an Sonderanlässen zum Einsatz kommen. Die Personenwagen tragen die Farben grün, blau, rot und braun. Es sollen jeweils zehn Wagen von jeder Farbe gebaut werden, um auf der Modellbahnanlage Züge fahren zu können, wie es bei der RH&DR in der Nebensaison der Fall ist. Zu den Standardpersonenwagen kommen die drei erhaltenen „heritage coaches“. Die „Heritage Group“ der RH&DR, welche sich mit der Ausstattung des Museums in New Romney und dem Sammeln von Bildern beschäftigt, zeigte Interesse an meinem Vorhaben. Für das Museum wurden zusätzlich noch ein paar historische, aber nicht mehr vorhandene Fahrzeuge in die Liste der zu bauenden Fahrzeuge aufgenommen. Von den nicht mehr vorhandenen Fahrzeugen baue ich jeweils einen zusätzlichen, welche dann im Museum der RH&DR ausgestellt werden können. Der Nachbau der Lokomotiven der Bahn wird in einem weiteren Artikel behandelt.

CAD-Daten

Um Bauteile Drucken zu können, muss ein dreidimensionales Modell erstellt werden. Die Konstruktion wird in einem CAD-System durchgeführt. Ich nutzte das Programm Creo Parametric, aber es gibt eine große Zahl an kostenlosen Programmen, welche für unsere Anwendungen vollends ausreichend sind. Die Maße einiger Wagen habe ich bei meinen Besuchen bei der RH&DR selbst aufgenommen, alle anderen werden anhand von Bildern konstruiert. Da der Wagenquerschnitt bei allen aktuellen Personenwagen gleich ist, konnte ich nach der Erstellung eines Rohmodells alle anderen Wagentypen mit unterschiedlichen Längen und Fensterarrangements davon recht einfach ableiten. Bei der Konstruktion der Wagen muss natürlich darauf geachtet werden, dass die Einzelteile gut druckbar sind, denn nicht alle Geometrien werden vom Drucker in gleich guter Qualität gedruckt. Bei der Konstruktion der Wagen wird außerdem darauf geachtet, dass diese einen Radius von 228 Millimeter durchfahren können, ohne dass die Wagenecken aneinanderstoßen oder die Puffer verhaken. Der kleine Radius wird benötigt, um auf einer Anlage, außerhalb des sichtbaren Bereichs, den Zug wenden und hinter die Kulissen fahren zu können.

Um das Lackieren und den Zusammenbau der Wagen zu vereinfachen, drucke ich die Wagen immer in der gleichen Aufteilung. Die Einzelteile sind der Wagenkasten, die Türen, die Pufferbohlen, vier verschiedenen Sitze für die Inneneinrichtung, das Dach und die Drehgestelle. Viele Teile wie die Sitze, Pufferbohlen und Drehgestelle können bei verschiedenen Wagen eingebaut werden und verringern damit den Fertigungsaufwand.

Von den Drehgestellen erstellte ich die zwei bei der RH&DR verwendeten Bauarten. Als Kupplungssystem habe ich mich an den Kupplungen der Spur N orientiert. Die Drehgestelle müssen sehr genau gedruckt werden, da sonst die verwendeten Spur N-Achsen klemmen und der Wagen damit schwergängig wird. Die Drehgestelle drucke ich aus diesem Grund nicht selbst, sondern lasse sie mit einem professionellen SLS-Drucker drucken, welcher deutlich höhere Genauigkeiten erzielt als mein Drucker.

Nach dem Erstellen der dreidimensionalen Daten wird aus diesen in einem sogenannten Slicer der G-Code für den Drucker erstellt. Der G-Code ist eine Maschinensprache, die vom Drucker gelesen und ausgeführt werden kann.

3D Druck

Alle Wagenteile werden auf meinem 3D Drucker, einem ANET A8, gedruckt. Der Drucker verarbeitet dabei einen Kunststoffdraht, der bei rund 200°C aufgeschmolzen und Schicht für Schicht aufgetragen wird. Die verwendete Materialfarbe spielt keine Rolle, da alle Teile vor dem Zusammenbau lackiert werden. Die durchschnittliche Druckzeit eines Wagenkastens beträgt acht Stunden. Bis die restlichen Teile eines Wagens gedruckt sind, vergehen in der Regel weitere acht Stunden. Da keine freischwebenden Teile, wie zum Beispiel die Stege über den Fenstern und Türen, gedruckt werden können, müssen diese mithilfe einer Stützstruktur realisiert werden. Diese Stützstruktur dient nur dazu, diese Bereiche beim Druck zu Stützen. Nach dem Druck muss das Material per Hand entfernt werden. Die Auflösung meines Druckers beträgt 0,1 Millimeter. Die Schichten sind daher mit bloßem Auge gut sichtbar. Damit die Schichten am fertigen Wagen nicht mehr sichtbar sind, werden die Wagenkasten vor dem Lackieren geschliffen. Die Nachbearbeitung der Wagen beträgt je nach Tagesform des Druckers zwischen 20 und 40 Minuten.

Lackierung

Alle Teile werden vor der Montage lackiert. Die Farbauswahl war nicht einfach, da in England das RAL-System noch nicht sehr verbreitet ist. Die Farben tragen dann Namen wie „Great Western Green“ und sind nicht genormt. Dank der Unterstützung der „Heritage Group“ der RH&DR und eines RAL-Farbenfächers konnten die entsprechenden RAL-Farben definiert werden.

Die aufwendigsten Teile beim Lackieren sind natürlich die Wagenkästen, da diese in bis zu fünf Farben lackiert werden. Zuerst werden die Innenwände der Wagen in créme lackiert. Anschließend werden alle Fenster und Türen von innen mit Klebeband verschlossen und die Außenseite der Wagen in einer oder mehreren Farben lackiert. Diese Lackierarbeiten werden mit einer Airbrush durchgeführt. Die Unterseite und die Fußböden der Wagen werden anschließend mit einem Pinsel lackiert, da hier das Abkleben zu aufwendig wäre und es nicht stört, wenn diese Flächen nicht ganz so gleichmäßig lackiert werden. Die Wagendächer werden nicht lackiert, sondern erhalten eine Schicht aus dünner Pappe. Die aktuellen Wagen der Bahn werden dem Original entsprechend mit einem schwarzen und die historischen Wagen mit einem hellgrauen Dach versehen. Nachdem alle Teile lackiert sind, werden die Beschriftungen in Form von selbst erstellten Decals angebracht. Alle Wagen erhalten ihre originale Wagennummer und Beschriftung. Die gelben Zierlinien auf den aktuellen Wagen werden aufgeklebt. Danach werden die Wagen mit einem seidenmatten Klarlack final lackiert. Dieser schützt die Decals und gibt den Wagen eine leicht glänzende und edel wirkende Oberfläche.

Montage

Nachdem pro Wagen zwischen zehn und 30 Teile vorbereitet wurden, können diese montiert werden. Die Fenster, bestehend aus dünner PMMA-Folie, werden von innen an die Fensteröffnungen geklebt. Die Sitze werden im Wagenkasten platziert und mit Spur 0 Figuren besetzt. Die originalen Wagen der RH&DR verfügen größtenteils über Schiebetüren, welche bei der Fahrt nicht geschlossen werden müssen. Aus diesem Grund klebe ich die Türen bei jedem Wagen in einer anderen Position ein, so dass kein Wagen dem anderen gleicht und ein Zug dem Original sehr nahekommt. Final werden die Drehgestelle mit einer M2 Schraube am Wagenkasten befestigt und der Wagen ist bereit für das Rollout.

Die Wagentypen

Bisher habe ich die sechs gängigsten Wagentypen der Bahn im Modell nachgebildet. Dazu gehören die klassischen geschlossenen „20 seater saloons“. Diese verfügen, wie der Name schon sagt, über 20 Sitzplätz und über vier Türen. Das Modell des Wagens misst eine Länge von knapp 175 Millimeter. Des Weiteren entstanden Modelle der offenen Sommerwagen, der „16 seater saloons“, der Gepäckwagen und die zwei unterschiedlichen Bauarten von Rollstuhlwagen der Bahn.

Neben diesen im täglichen Einsatz vorzufindenden Wagen erstellte ich Modelle der drei historischen Wagen der RH&DR. Dazu gehört der „Clayton Pullman“ Wagen. Er verfügt über einzelne Wagenabteile für jeweils vier Personen, welche über Türen von außen zugänglich sind. „Ruth“, der zweite im Bunde, ist ein Nachbau der Salonwagen aus dem Jahr 1934. Er verfügt über acht Sitzplätze und ist, wie alle historischen Fahrzeuge, in créme und braun lackiert. Der dritte und begehrteste im Bunde ist der Wagen mit der Nummer 1: der „Royal Saloon“. Queen Elisabeth II. selbst nutzte den Wagen bei ihrem Besuch der Bahn im Jahr 1954. Die Zierleisten auf den Außenseiten der Wagen habe ich einzeln gedruckt und nach dem Abschleifen der Wagenaußenwand aufgeklebt. Der „Clayton Pullman“ ist dadurch mit 48 Teilen der Wagen mit den meisten Einzelteilen.

Des Weiteren wurden in Zusammenarbeit mit der „Heritage Group“ Modelle von Pluto gebaut, einem Aussichtswagen aus den 60er Jahren. Der Wagen hebt sich durch seine abgeschrägten und verglasten Wagenenden vom Rest des Wagenpools ab. Außerdem entstehen aktuell Wagen der sogenannten „Queen Anne“ Wagenflotte und geschlossene Saloons aus den Anfängen der Bahn. Der Wagenpark der RH&DR, welcher sich über die letzten 92 Jahre mehrmals verändert hat, bietet noch genügend Material für formschöne Modellnachbauten, so dass erstmal kein Ende der Wagenfertigung in Sicht ist.