Meine zweite Modell-Heidi sollte im Maßstab 1:6 für die 5 Zoll Gartenbahn gebaut werden. Für den Bau der alten Heidi hatte ich nur Bilder der Lok zur Verfügung. Das neue Modell sollte deutlich näher am Original sein, als mein erstes Modell. Durch enge Kooperation mit einigen Mitliedern des Vereins Rheinschauen, bekam ich Fotos der Originalzeichnungen von Ernst Stadler. Diese Zeichnungen zeigten aber natürlich die Lok ohne Motorhaube, denn diese kam, wie schon beschrieben erst viele Jahre später hinzu. Die Maße der Motorhaube konnte ich aus Skizzen des Buchs von Anton Heer „Die Dienstbahn der Internationalen Rheinregulierung“ entnehmen. Zusammen mit zahlreichen, in Lustenau aufgenommenen, Bildern konnte ich auch so diesen Bereich maßgetreu umsetzten. Grundsätzlich wollte ich versuchen alles was äußerlich ist, so nah wie möglich dem Original nachzuempfinden. Der Antrieb und die Technik, welche von außen nicht sichtbar sind, sollten so ausgeführt werden, dass sie dem rauen Betrieb auf der Gartenbahn im Freien lange standhalten.
Die Lokomotive wurde im CAD geplant, wodurch auch Daten für das Laserschneiden der Bleche abgeleitet werden konnten. Ich entschloss mich aber, nur jene Komponenten im CAD detailliert zu konstruieren, welche wichtig für den Antrieb, oder die extern zu fertigenden Teile sind.
Der sichtbare Teil des Rahmens entspricht exakt den verkleinerten Originalzeichnungen von Stadler. Sobald die Größe und Geometrie feststand, machte ich mich an die Entwicklung des Antriebs. Dieser sollte durch zwei baugleiche Antriebseinheiten realisiert werden. Von Anfang an beschloss ich die Achsen nicht in den von außen sichtbaren Achslager aufzuhängen, sondern die Achsen zwischen den Radscheiben zu lagern. Die zwei einzelnen Fahrwerke werden an einer Grundplatte befestigt. Diese Grundplatte wird nur über drei Schrauben mit dem Rest der Lok verschraubt. Im Fall einer Reparatur kann das Fahrwerk so recht einfach aus der Lok ausgebaut werden. Um die Ströme recht klein zu halten, entschied ich mich für 24 V Motoren mit einer Nennleistung von jeweils 280 W. Die Motoren werden zwischen den Radscheiben positioniert, wodurch es möglich ist, das Drehmoment direkt über Stirnzahnräder vom Motor auf die Achse zu übertragen. Die Antriebseinheit besteht größtenteils aus Laserteilen, welche miteinander verschraubt sind. Die Räder und Achsen wurden auf einer CNC-Drehmaschine hergestellt. Um Unebenheiten im Gleis auszugleichen, erhält das Modell eine Federung. Hierfür werden die zwei Fahrwerkseinheiten über Schwingmetallpuffern mit der Grundplatte verschraubt. Um eine reine Vertikalbewegung sicherzustellen werden die Fahrwerke über je zwei Führungsstifte geführt. Die ersten Fahrversuche mit dem Fahrwerk konnten im Herbst 2016 durchgeführt werden. Alles funktionierte und es konnte mit dem Bau des Rahmens begonnen werden.
Der Rahmen besteht aus Laserteile, welche miteinander verschweißt sind. Die Achslager am Rahmen bestehen aus einem Sandwich aus Laserteile, welche teilweise auf der Drehbank nachbearbeitet wurden. Durch die Stapelbauweise kann das Fräsen von Bauteilen vermieden werden und trotzdem ein 3D-Effekt erzielt werden. Die Puffer, die U-Profile am Rahmen sowie die Blattfedern und deren Aufhängung, wurden aus Profilmaterial hergestellt. Die Aufnahme des Fahrwerks wird über drei quer eingeschweißte Stahlprofile realisiert. Aus Platzgründen ist das von außen sichtbare Bremsgestänge ohne Funktion, da die Lok über die Motoren gebremst werden kann und damit keine mechanische Bremse benötigt. Auch das Bremsgestänge besteht aus mehreren zusammengesetzten Laserteilen. Im Sommer 2017 konnte das Fahrwerk und der Rahmen lackiert und nur wenig später das Fahrwerk der Heidi montiert werden.
Die Motorhaube und vor allem deren Front macht das Gesicht der Heidi aus, weshalb ich hier besonders viel Zeit in die Konstruktion und den möglichst genau Nachbau steckte. Der Aufbau besteht größtenteils aus 2 mm Stahlblech. Beim Verschweißen werden Winkelprofile eingesetzt, welche den Aufbau noch versteifen, dem Schweißverzug vorbeugen und als Auflagefläche auf dem Fahrwerk dienen. Die seitlichen Klappen der Motorhaube sollten, wie auch beim Original, den Zugang zur Technik ermöglichen, weshalb diese alle funktionsfähig ausgeführt werden sollten. Hierfür bedarf es aber der passenden Scharniere. Da ich bei keinem Hersteller fündig wurde, entschloss ich mich die Scharniere aus Messing gießen zu lassen. Hierfür konstruierte ich die Bauteile im CAD, was es einem Dienstleister ermöglichte die Teile für mich kostengünstig herzustellen. Hierfür kam eine Kombination aus additiver Fertigung und traditionellem Gussverfahren zum Einsatz. Das Scharnier wird dazu auf einem 3D Drucker aus Wachs ausgedruckt. Dieses Wachsmodell wird im Anschluss für ein Feingussverfahren als Urmodell genutzt. So ist es möglich, auch bei sehr kleinen Stückzahlen schnell, unkompliziert und günstig an Teile zu gelangen. Dank der Scharniere konnten die Klappen, wie im Original an der Motorhaube befestigt werden.
Die Klappen wurden wie beim Original mit Griffen und Lüftungsgittern ausgestattet. Die Lüftungsgitter bestehen aus Laserteilen aus Edelstahl. Die Teile sind so konstruiert, dass sie zuerst zusammengesteckt und anschließend verklebt beziehungsweise verschraubt werden können. Weitere Anbauteile, wie die Lampen oder der Anschluss für eine externe Stromversorgung (beim Original) wurden ebenfalls mittels 3D-Druck aus Kunststoff hergestellt.
Für das Führerhaus standen mit die Originalzeichnungen der Heidi zur Verfügung. Zum Führerhaus gehört auch der vorderen Anbau, in dem sich im Original, die Schaltelemente der Lok befinden. Die Lüftungsgitter in diesem Bereich dienen dazu den Fahrschalter, welcher bei der großen Heidi über Widerstände realisiert wurde, zu kühlen. Auch das Führerhaus besteht größtenteils aus 2 mm Stahlblechen, welche über Winkelprofile miteinander verschweißt sind. Die Rückwand wird nicht verschweißt, sondern mit dem Rest verschraubt, was es erleichtert das Führerhaus innen zu lackieren. Die Fenster des Führerhauses werden mit H-Gummis eingefasst. Die Türen werden über einen Magneten geschlossen gehalten. Da das Original oft mit offener Tür unterwegs war, baute ich einen zusätzlichen Magneten am Fußboden ein, welcher die Tür in der geöffneten Stellung fixiert. Im Führerhaus wird das Fahrpult mit samt originalem Fahrschalter nachgebildet. Die Leiter zum Führerstand hin wird aus Rundstahl, Winkelprofilen und kleinen Drehteilen hart gelötet. Das Riffelblech auf den Stufen und im Führerhaus wird originalgetreu durch ein Aluprofilblech nachgebildet. Das Führerhaus wird durch einige 3D-gedruckte und gegossene Teile, wie der Isolator oder die Scheibenwischer vervollständigt. Die Fabrikschilder werden ebenfalls 1:1 von der Originalzeichnung übernommen und durch das Gussverfahren des Dienstleisters aus Bronze hergestellt.
Herausfordernd ist das Dach, da keine Möglichkeit bestand auf eine gute Biegemaschine zurückzugreifen. Ich ließ das Profil des Dachs aus Stahl auslasern und nutze es als Biegelehre. Mit Rundmaterial, Schraubzwingen und etwas kontrollierter Gewalt gelang es das 1 mm Blech in die gewünschte Form zu biegen. Das Dach aufzulegen war ein schöner Moment, denn damit war die Heidi das erste Mal optisch komplett.
Um die Lok nun zu vervollständigen fehlte aber noch der Trolley-Stromabnehmer. Die Teile sind nur aufwendig kommerziell herzustellen, das es sich hier beim Original um Gussteile handelt. Die Teile wie den Abnehmer mit Kugelgelenk, das Gelenk am Dach, sowie die Schnittstelle am Dach mit angebauter Rundumleuchte konstruierte ich daher im CAD. Die Teile lies ich aus Stahl durch ein Lasersinterverfahren herstellen. Diese Teile sind sehr widerstandsfähig und werden ebenfalls durch ein additives Verfahren hergestellt. Die Montage dieser Teile war ein großes Vergnügen, denn zeigte dies, dass die Vollendung der Lok kurz bevor stand.
Die Elektronik der Heidi war deutlich komplexer als Anfangs gedacht, was allerdings von meinen eigenen hohen Anforderungen abhing. Für die Motoren mussten 24 V zur Verfügung gestellt werden. Hierfür ist das Modell mit zwei AGM-Akkus mit je 12V und 45Ah ausgestattet, welche in der Motorhaube untergebracht sind. Um das Laden möglichst einfach zu machen, werden die Ladegeräte in der Lok verbaut. Die 230 V Netzspannung wird über einen Kaltgerätestecker in die Lok übertragen. Die Ladegeräte werden im Fahrpult der Lok untergebracht. Über eine Öffnung je Ladegerät, kann der Akkustatus im Führerhaus eingesehen werden. Die Steuerung der Motoren, die zusammen schon mal 60-70 A ziehen können, übernimmt eine 4qd-Steuerung, welche durch einen Funkumsetzer angesteuert wird. So ist es möglich die Lok über Funk, also ohne Kabel, zu steuern. Weitere Verbraucher sind Lampen, Rundumleuchte, zwei Hörner sowie eine Glocke. Diese Verbraucher benötigen lediglich 12 V, weshalb ein separater Stromkreis nötig ist. Die 12V-Verbraucher werden ebenfalls über Funk angesteuert. Da die Schaltausgänge der Funkfernsteuerung nur geringe Ströme zulassen, versah ich alle Schaltelemente mit einem Relais.
Im Hauptstromkreis wird außerdem ein kleiner Messcomputer eingebaut, welcher die Spannung der Akkus, sowie einige andere Leistungsdaten aufzeichnet. Dieser ist zusammen mit dem Kaltgerätestecker, dem Hauptschalter und einigen anderen Schaltelementen hinter einer der Klappen der Motorhaube angeordnet, wo er gut zugänglich ist. Ein handelsüblicher Fahrradtacho ist ebenfalls verbaut. Dieser hat vor allem die Aufgabe die gefahrenen Kilometer zu erfassen.
Die Heidi konnte im Dezember 2021 nach fünfeinhalb Jahren Bauzeit fertig gestellt werden. Bis zur richtigen Inbetriebnahme verging allerdings noch etwas Zeit, da es im Winter auf der Gartenbahn im Freien eher etwas ruhiger zu geht. Die Inbetriebnahme konnte daher erst im Frühjahr 2022 erfolgen. Die Lok bringt etwa 90 kg auf die Waage und schafft es damit mühelos die 560 W auf die Gleise zu bringen. Zusammen mit meinem Güterzug der IRR und einem kurzem Stück Oberleitung ergibt sich ein schönes, historisches Gesamtbild. Ob meine Heidi auch nur annähernd so viel erleben wird, wie ihre große Schwester wird sich zeigen.